In der offenen Küche des Heu & Gabel am Meidlinger Markt kocht Clara Aue de facto mitten unter ihren Gästen. Keine Wand, keine Trennung zwischen Küche und Gast, zwischen Kochen und Fragen beantworten. Diese Offenheit ist kein Zufall, sondern Programm in Claras Art zu kochen. „Transparenz ist für mich die Grundlage von allem“, sagt sie. „Vom Produzenten, der Produzentin zu mir, von mir zum Gast. Ich muss auf jede Frage eines Gastes eine Antwort haben, hinter der ich zu hundert Prozent stehen kann.“
Clara arbeitet fast ausschließlich mit Bio-Produkten, aber sie sagt auch: „Bio ist nicht alles.“ Für sie zählt auch das Handwerk und die Menschen dahinter. Ihr Lieblingsbeispiel: Das meiste Fleisch für Heu & Gabel bezieht sie von kleinen Bio-Produzent:innen wie der Demeter-Rinderbäuerin Helga Bernold. Für Tagesgerichte greift sie aber auch gerne auf die Wiener Fleischerei Hödl zurück. Kein Bio-Zertifikat, aber der letzte in Wien, der noch selbst schlachtet. „Das gehört dringlichst unterstützt“, sagt sie.
Vor zehn Jahren, erinnert sie sich, gab es in Wien nur noch eine einzige Fleischhauerklasse. Für sie ist das symptomatisch: „Wenn das Handwerk verschwindet, verlieren wir auch das Bewusstsein dafür, wie viel Arbeit, Können und Verantwortung hinter einem Stück Fleisch steckt.“ In ihrer Küche ist das Zerlegen ganzer Tiere selbstverständlich. „Ich habe das während meiner Lehre gelernt – und ich finde, jede Köchin, jeder Koch sollte das können. Nur dann versteht man das Produkt.“
Dass sie einmal Küchenchefin werden würde, war nie geplant. Clara hat Geschichte studiert, bevor sie die Gastronomie-Ausbildung begann. „Ich wollte eigentlich nur wissen, wie man richtig gut kocht – technisch, handwerklich. Und verstehen, was hinter den Geheimnissen einer professionellen Küche steckt.“
In der Labstelle bei Kristijan Bacvanin fand sie nicht nur einen prägenden Lehrer, sondern auch ein Vorbild. „Er hat alles ganzheitlich gedacht. Wir haben ganze Schweine, Kälber, Wildtiere verarbeitet, selber gewurstet, selber Salami gemacht. Das war keine Ausnahme, sondern Normalität.“ Diese Zeit hat sie geprägt – nicht nur fachlich, sondern auch menschlich. „Oft steht und fällt alles mit einem Menschen. Wenn du jemanden hast, mit dem du unbedingt arbeiten willst, der dich ernst nimmt, dann wächst du über dich hinaus.“
Ein Jahr kochte sie auch in einem französischen Restaurant. „Die französische Technik ist das Fundament der modernen Küche“, sagt sie. Davon profitiert sie noch heute – etwa, wenn sie klassische Techniken abwandelt oder weiterentwickelt. Nach der Lehre ging sie auf Saison nach Salzburg, bevor sie weiterzog nach Kärnten, in ein Biohotel mit eigener Landwirtschaft. „Das war eine bewusste Entscheidung. Du siehst, woher die Produkte kommen, du verarbeitest das Tier, das eben noch nebenan auf der Weide stand, du servierst die Milch vom Nachbarn. Das ergibt alles Sinn. Da muss man nichts beschönigen, keine Geschichte erfinden.“
Diese Erfahrung prägt auch das Heu & Gabel. Bevor Clara dort startete, suchte sie wochenlang nach passenden regionalen Bio-Produzent:innen, rief Dutzende an, jonglierte Mindestmengen und Lieferrhythmen. Fleisch kommt heute nur aus engem Radius – „maximal nördliches Weinviertel oder Bucklige Welt“. Den meisten Käse bezieht sie von kleinen Produzent:innen wie der Käserei Höfer oder von Familie Nuart. Parmesan, Burrata und Stracciatella dürfen aus Italien kommen – bewusst, weil es von dort am besten schmeckt. „Ich will auf jede Frage eine ehrliche Antwort geben können – warum ich etwas kaufe, von wem und wieso.“ Gemüse und Obst kauft sie immer saisonal und frisch direkt am Meidlinger Markt. Ob die kleinteilige Logistik dahinter nicht mühsam sei? „Es ist schon ein ziemlicher Aufwand abseits vom Herd, aber wo ein Wille, da ein Weg“, sagt sie.
„Sauber“ wiederum bedeutet für sie nicht nur, aus möglichst nachhaltiger Landwirtschaft zu beziehen, sondern auch Respekt – respektvoll mit dem Produkt umzugehen, nose-to-tail, wie man es heute gern nennt, oder einfach: „Ich hau nix weg“, wie sie sagt. Es heißt aber auch, den Preis von Lebensmitteln nicht zu drücken – so einzukaufen, dass die Menschen, die sie produzieren, davon leben können. „Ich bin froh, dass es Teil unserer Philosophie im Heu & Gabel ist, dass wir so hochwertige Grundprodukte einkaufen. Wir können es uns aber auch leisten, weil ich ressourcenschonend koche. Das ist auch wirtschaftlich nachhaltig“, sagt sie.
Und über Geschmack sagt sie: „Guter Geschmack ist Balance – zwischen Säure, Salz und Süße, aber auch in der Temperatur.“ Ihre Gerichte sollen vertraut schmecken – aber nicht altbacken. Das schönste Kompliment für sie? Wenn jemand sagt: „Das schmeckt wie bei meiner Oma, aber leichter, raffinierter, moderner.“
Ihre Küche nennt sie lieber „Kronländer-Küche“ als „österreichisch“ oder „wienerisch“. Zu eng sei der Begriff, zu starr das Bild der Wiener Küche. „Wien war immer ein Schmelztiegel. Alles kam von irgendwo, wurde aufgenommen, verändert, zu etwas Eigenem gemacht. Ich will diese Gerichte hernehmen und sie wieder auffächern.“ So landen Szegediner Gulasch, Krautrouladen oder Spinatknödel auf der Karte – Gerichte, die vertraut wirken, aber von Clara frischer, leichter, saisonaler gedacht werden. Tafelspitz gibt’s bei ihr im Frühling auch mal mit Spargel-Gröstl statt Semmelkren.
Für Clara bedeutet Slow Food vor allem eines: Bewusstsein. Bewusstsein für das, was man einkauft, kocht und isst. Für die Arbeit, die darin steckt. Für die Menschen, die das Produkt erzeugen und für jene, die es verarbeiten. „Wenn ich etwas, das ich selbst gekocht habe, wegwerfe, nehme ich mich selbst nicht ernst. Das ist der Punkt. Respekt vor dem Produkt ist auch Respekt vor der eigenen Arbeit.“
Dieses Bewusstsein möchte sie weitergeben – an Kolleg:innen in der Küche, im Service, an die nächste Generation. Und sie spürt, dass dieser Gedanke längst Kreise zieht. „In der jungen Generation wird mehr Fairness eingefordert, mehr Balance, mehr Mut, Grenzen zu ziehen. Alte Strukturen bröckeln. Man merkt, dass sich was tut.“ Ihr Erfolgsrezept für die Gastronomie fasst sie schlicht zusammen: „Man arbeitet nur wirklich gut, wenn man aus Überzeugung in der Gastronomie ist – und mit Leidenschaft kocht.“
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