Kochen beginnt für Thomas Hofer nicht in der Küche, sondern draußen – im Stall, am Feld, im Garten. Der Küchenchef des Bergergut im Mühlviertel baut seine Gerichte auf Beziehungen, Respekt und Handwerk. Was auf den Teller kommt, ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit Produzent:innen, der Verarbeitung ganzer Tiere und einer Küche, die Purismus und Tradition verbindet.
„Kochen fängt immer im Stall, am Feld oder im Garten an“, sagt Thomas Hofer. Das ist die Essenz seiner Arbeit als Küchenchef – und sie begleitet ihn seit Kindheitstagen. Aufgewachsen in Linz, verbrachte er viel Zeit bei seinen Großeltern im Mühlviertel. Dort lernte er, was Selbstversorgung bedeutet: Schweine schlachten, Blunzen machen, Gemüse anbauen, Brot im Holzofen backen. Auch zuhause war gutes, ehrliches Essen selbstverständlich – seine Mutter eine leidenschaftliche Köchin. Erst später sollte Thomas merken, dass so aufzuwachsen alles andere als selbstverständlich ist.
Nach der Schule kam ein Studium für ihn nie infrage. Handwerk hatte in der Familie Tradition, und auch für ihn war klar: Bäcker, Landwirt oder Koch – irgendetwas in diese Richtung sollte es werden. Schließlich begann er eine Kochlehre in einem Linzer Stadthotel mit Haubenlokal. Dort lernte er das gesamte Spektrum von gutbürgerlicher Küche über Fine Dining bis hin zu Großveranstaltungen kennen – Leberknödel ebenso wie Galantinen. „Mein Lehrherr war ein Handwerker durch und durch – er hat mir gezeigt, dass gutes Kochen nur aus ehrlichem Handwerk entstehen kann.“
Es folgten Stationen, die seine Haltung entscheidend prägten. Zwei Jahre bei Heinz Reitbauer im Steirereck, wo er lernte, dass Sauerampfer denselben Stellenwert haben kann wie eine Languste. „Es geht nicht um Luxusprodukte, es geht um Qualität und Geschmack.“ Noch stärker aber beeindruckte ihn die Art, wie Heinz Reitbauer mit Produzent:innen sprach: auf Augenhöhe, mit ehrlichem Interesse und dem Willen, gemeinsam besser zu werden.
Als Sous-Chef im Taubenkobel vertiefte er diese Philosophie: selbst sammeln, selbst pflücken, die Natur als Ressource begreifen – aber immer mit Respekt. „Wo kann ich mich kostengünstig bei der Natur bedienen und habe trotzdem etwas Einzigartiges?“ Diese Frage begleitet ihn bis heute – etwa wenn er im Wald hinter dem Bergergut Pilze oder Heidelbeeren sammelt.
Mit diesen Erfahrungen im Gepäck kehrte Thomas ins Mühlviertel zurück – dorthin, wo seine kulinarische Prägung einst begonnen hatte. Zunächst mit seinem ersten eigenen Lokal, dem Culinariat in Hellmonsödt, und seit 2016 als Küchenchef im Bergergut in Afiesl. „Ich habe schnell verinnerlicht, dass ohne gute Produzent:innen auch die besten Betriebe nichts ausrichten können.“
Leicht war es dennoch nicht, ein stabiles Produzentennetzwerk aufzubauen. „Im Osten war das einfacher. Hier im Mühlviertel musste man vor 15 Jahren viel mehr suchen.“ Doch er begann, Bauer für Bauer, Betrieb für Betrieb in seine Küche einzubinden. Heute zählen rund um das Bergergut viele langjährige Partner:innen zu seinem engsten Kreis – vom Fleischhauer Hermann Brenner in Afiesl („Hermann Brenner Senior ist schon oft bei mir in der Küche gestanden und hat mir viel gezeigt.“), der Schweine im kleinen Stil schlachtet und selbst aufbereitet, bis hin zu Fischzüchter Armin Schöfl und den Gemüse-Raritäten von Monika Schottenhuber in St. Georgen an der Gusen („Manchmal bringt sie in einer Lieferung einfach 14 verschiedene Paradeisersorten.“).
Für Thomas geht diese Zusammenarbeit weit über den Einkauf hinaus. „Es entsteht Respekt, wenn Produzent:innen sehen, wie wir ihre Produkte verarbeiten – und wir verstehen, wie viel Arbeit im Grundprodukt dahintersteckt.“ Oft werden daraus sogar enge Freundschaften. Und genau darin liegt für ihn die Basis für echte Qualität in der Küche.
Bio ist Thomas wichtig, aber kein Dogma – und nur dann sinnvoll, wenn es mit echter Nachhaltigkeit verbunden ist. „Eine Bio-Erdbeere aus Italien ist für mich weniger wert als ein Schnittlauch aus Eferding“, sagt er. Herkunft, Transparenz, ein Gesicht hinter dem Produkt – das zählt für ihn. „Am liebsten hätte ich eine glasklare Kennzeichnungspflicht, auch in der Top-Gastronomie.“
Marmeladen, Sirupe, Garum, Kombucha, Speck und Most – vieles stellt Thomas gemeinsam mit seinem Team selbst her. Über hundert Kräuter wachsen im Garten, Paradeiser werden am Höhepunkt ihrer Reife eingekocht, Hollerkapern und Maiwipferl eingelegt, Heidelbeeren und Pilze wild gesammelt. Südfrüchte sucht man vergeblich, dafür stehen acht verschiedene Säfte vom Pankrazhofer auf der Karte.
„Purismus funktioniert nur mit großartigen Produkten“, sagt Thomas und erzählt von Familie Zauner, die ihm Bio-Milchprodukte liefert, und von Familie Engleder, die ihn mit Bio-Wildhendln versorgt. Dass er auf ein solches Netzwerk zurückgreifen kann, liegt einerseits an der Region mit ihrer hohen Dichte an Bio-Betrieben, andererseits an Thomas’ Hartnäckigkeit, eine so kleinteilige Logistik überhaupt auf sich zu nehmen. „Jeder neue Produzent, jede neue Produzentin bringt auch neue Ideen – und so entstehen oft neue Gerichte.“
Je älter er werde, desto mehr schätze er das Unaufgeregte. Keine überladene Tellerarchitektur, sondern Geschmack und Handwerk im Vordergrund. „Geschmortes hat für mich denselben Stellenwert wie ein Rückenstück – oft sogar mehr, weil man dafür wirklich kochen können muss.“ Tiere kauft Thomas meist im Ganzen ein: Kalb, Ochs oder Lamm. Daraus entstehen Gerichte, in denen er regionale Wirtshausküche mit Fine Dining verbindet.
Handwerk ist für Thomas zentral – nicht als Schlagwort, sondern als tägliche Praxis. „Die kulinarische DNA Österreichs ist in vielen Bereichen verloren gegangen. Viele junge Köche können kein Beuschel, keine Milzschnitten, kein g’scheites Paprikahendl mehr.“ Genau das gehört für ihn aber ebenso ins Fine Dining. Und folglich auch gerne ein Millirahmstrudel oder Schwarzbeernocken als Dessert am Ende eines Menüs.
Im Zentrum seiner Philosophie stehen drei Prinzipien: der tiefe Respekt vor dem Produkt, die Wertschätzung des traditionellen Handwerks und die Leidenschaft für den Beruf. „Das Allerwichtigste ist für mich der Respekt vor dem Produkt“, sagt er. Jedes Detail zähle – beim Erdapfelsalat genauso wie bei einer Flusskrebssauce. Leidenschaft, betont er, sei unverzichtbar: „Wer Koch wird, um Geld zu verdienen, sollte sich etwas anderes suchen.“ Diese Überzeugungen trägt er weiter – an sein Team, an Lehrlinge, an junge Kolleg:innen. „Wer nicht ausbildet, darf auch nicht sudern“, sagt Thomas. „30 Jahre Fachwissen will man schließlich auch gerne weitergeben.“ Regelmäßig bildet er deshalb Lehrlinge aus. Für ihn ist klar: Nur wer Wissen teilt, schafft eine Zukunft für den Beruf.
Trotz aller Routine und Erfahrung ist Thomas noch immer fasziniert vom Kochen. „Was mich am meisten begeistert, ist das pure Handwerk – immer noch.“ Ob Paprikahendlsauce oder Millirahmstrudel – es sind die kleinen Stellschrauben, die ihn antreiben. „Manche Gerichte mache ich seit 30 Jahren, und trotzdem überlege ich immer: Wie geht es noch besser, noch nachhaltiger, noch geschmackvoller?“ Und wenn er dann die Sauce abschmeckt und sie wieder besser schmeckt als beim letzten Mal, freut sich Thomas, sagt er, „wie ein kleines Kind“.
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