Blog, 18.11.2025

20 Jahre Slow Food Pinzgau – eine Nachlese

Ein Fest der Sinne, des Wissens und der regionalen Verbundenheit: Mit einem ebenso vielfältigen wie stimmigen Programm aus Kultur, Wissenschaft und kulinarischem Genuss feierte das Convivium Pinzgau vom 21. bis 23. Oktober 2025 im Kunsthaus Nexus Saalfelden sein 20-jähriges Bestehen. Drei Tage lang war das von den Salzburger Nachrichten treffend als „Slow Food Festival in Saalfelden“ betitelte Wochenende Bühne und Begegnungsraum für alle, die sich für gute, saubere und faire Lebensmittel begeistern – und für ein Ernährungssystem, das Zukunft hat.

Pinzgau-Tag: Tradition trifft Tonart

Den Auftakt bildete ein kulinarisches Highlight: Die Mittersiller Krapfenfrauen servierten im ausverkauften Nexus-Café regionale Klassiker wie Krapfen und Bladl – in zahlreichen Variationen mit sauren und süßen Füllungen. Die Einfachheit der Zutaten – Butter, Roggenmehl, Milch oder Wasser, Salz – und die Raffinesse der Zubereitung zeigen einmal mehr, wie vielfältig alpine cucina povera sein kann.

Der zweite Teil des Abends war der Musik gewidmet: Marcus Hinterberger, bekannt durch seinen „Ischgl-Blues“, begeisterte mit kritischen, poetischen Liedtexten. Ein besonderer Moment war der „Kasnockenblues“ von Hans Fuchs – eine dadaistische Hommage an das wohl bekannteste Gericht des Pinzgaus.

Slow Food Markt: Salzburg trifft Venedig

Die folgenden zwei Tage standen unter dem Motto: „Salzburg und Venedig – eine kulinarische Reise zwischen zwei Kulturräumen“. Im Foyer und in der Blackbox des Nexus präsentierten Produzent:innen, Köch:innen und Netzwerkpartner:innen kreative kulinarische Verbindungen zwischen alpiner und mediterraner Esskultur.

Ein Streifzug durch den Markt:

  • Bei Oafoch Guat konnte man Baccalà alla vicentina, Piave aus Belluno, Bastardo del Grappa und Tiroler Graukäse verkosten.

  • Robert Mair überraschte mit Rehschlögel-Carpaccio auf Sellerieschaum,

  • die Herzogin mit delikaten Cicchetti,

  • Toni Seber mit einem Baumrindenparfait

  • und Oliver Schuh-Dillinger mit seinen berühmten Weinbergschnecken à la Veneziana.

  • Safran, Weichkäse, Joghurt, Bio-Honig, Apfelsaft aus Bramberg und Produkte der Pinzgauer Strahlenziege ergänzten das kulinarische Angebot.

  • Ein besonderes Highlight: Die Schüler:innen der HBLW Saalfelden kreierten alkoholfreie Bellinis und präsentierten ihr Siegerprojekt im Slow Food Schulwettbewerb: „Muas mal anders“ – mit Frozen Yogurt und Kompott neu interpretiert.

  • Bio Austria Salzburg informierte mit einem Mitmach-Gewinnspiel,

  • und Urlaub am Bauernhof zeigte, wie man biologische Landwirtschaft und Urlaub zu verbinden.

Die Aussteller:innen im Überblick

  • Die Herzogin – Jacky & Caro Herzog (Maria Alm)
  • Gasthof zum Tiroler Buam – Sarah & Robert Mair (Vorderglemm)
  • Restaurant Sunnseit – Toni Seber (Mittersill)
  • Oafoch Guat (Weißbach: Käse)
  • Bräumühle (Saalfelden: Weinbeerschnecken)
  • Zieferhof (Leogang: Milchprodukte)
  • Ottinghof (Leogang: Safran)
  • Alfred Bründl (Leogang: Bio-Honig)
  • Brandls (Saalfelden: Strahlenziege)
  • HBLW Saalfelden (Bellinis & Schulprojekt)
  • Bramberger Obstpresse – Toni Lassacher & Christian Vötter
  • Bio Austria Salzburg (Infostand & Glücksrad)
  • Urlaub am Bauernhof
  • Salzburg & Venedig – Handel, Geschichte und Film

Der letzte Festivaltag war den historischen Wurzeln gewidmet: Seit dem Mittelalter verband Salzburg und Venedig ein intensiver Warenaustausch – über die Tauern kamen Salz, Vieh und Käse nach Süden, während Wein, Gewürze, Öl und Südfrüchte den Weg in den Pinzgau fanden. Diese historischen Verflechtungen beleuchteten in einem Podiumsgespräch:

  • Barbara Loferer-Lainer, Obfrau der Felbertauern-Samer
  • Andrea Dillinger, Historikerin (Museum Schloss Ritzen)
  • Gerhard Ammerer, Historiker (Universität Salzburg)
  • Moderation: Wolfgang Schäffner

Der feierliche Abschluss des dreitägigen Festivals war die Premiere des Films „20 Jahre Slow Food Pinzgau“ (40min) von Hans Fuchs – Rückblick und lebendige Darstellung gelebter Slow Food Philosophie.

Kurze Geschichte von Slow Food Pinzgau

Anfänge

Die Gründungsidee für ein Slow Food Convivium im Pinzgau entstand 2004 im Rahmen eines Projekts zur Entwicklung einer Genussakademie am Studien- und Managementcenter Saalfelden. Aus dieser Vision formierte sich 2005 eine engagierte, vielfältige Gruppe aus Wissenschaftler:innen, Künstler:innen, Gastronom:innen und Freund:innen, die beschloss, sich offiziell um die Aufnahme in Slow Food International zu bewerben.

Vertreter:innen von Slow Food Convivien in Österreich wurden besucht und eingeladen, ein Vortrag im Kunsthaus Nexus zum Thema Slow Food organisiert. Parallel entstand im Studienzentrum ein Konzept für eine „Akademie für Genuss, Ernährung und die Erhaltung bodenständiger Produkte“, das später in Zusammenarbeit mit der Universität Salzburg und dem dort neu gegründeten „Zentrum für Gastrosophie“ (Univ.-Prof. Lothar Kolmer) in den interdisziplinären Masterlehrgang „Gastrosophische Wissenschaften“ mündete (2009–2024).

Die Ursprünge von Slow Food Pinzgau sind somit eng mit einem universitären, forschungsorientierten Kontext verbunden – eine Prägung, die bis heute die Arbeit des Conviviums bestimmt.

Wissen, Kultur und Genuss: Vorlesungen & Symposien

Neben kulinarischen Veranstaltungen und Hofbesuchen bildeten bald auch Vorlesungen und Symposien das Herzstück der Aktivitäten – stets im Dialog mit der Gastrosophie, der Wissenschaft vom guten Essen in kulturellem, sozialem und philosophischem Kontext.

Wichtige Symposien waren z.B.:
  • Ernährungswende jetzt (2015)
  •  Bits & Bites. Internet des Essens (2016)
  • Radikal Regional. Klimawandel in der Küche (2018) 
Vorlesungen in der Reihe MyUni (kleine Auswahl):
  • Neuen altösterreichischen Küche zwischen Tradition und regionaler Avantgarde (Peter Peter)
  • „Der Mensch ist, was er isst“ Essen – Identität – Verantwortung.(Thomas Mohrs)
  • Ist Moral käuflich? Zum Beitrag der Konsumethik zur Gemeinwohl-Ökonomie (Harald Lemke)

Messen & Slow Food Tage

Seit 2013 ist das Convivium regelmäßig auf der Regionalitätsmesse im Congress Saalfelden präsent. 2014 hielt Obmann Wolfgang Schäffner den Hauptvortrag zum Thema Ernährung und Verantwortung. Besondere Höhepunkte im Veranstaltungskalender sind die Slow Food Tage im Kunsthaus Nexus, die seit 2016 jährlich stattfinden und sich wachsender Beliebtheit erfreuen.

Filme

Ein wertvolles Medium für die Dokumentation und Sichtbarmachung der Bewegung sind die Filme des professionellen Kameramanns und Dokumentarfilmers Hans Fuchs, Vize-Obmann des Conviviums. Neben dem Film „Boden:Schätze“ (2023) entstand 2025 ein umfassendes Porträt der Slow Food Pinzgau Community – ein filmischer Streifzug durch die Welt regionaler Produzent:innen, Gastronom:innen und Netzwerkpartner:innen

Slow Food Österreich

Ein Meilenstein war die Gründung von Slow Food Österreich im Juni 2020, bei der Slow Food Pinzgau als eines der Gründungsmitglieder von Anfang an mitwirkte. Der Zusammenschluss stärkte die nationale Zusammenarbeit und Sichtbarkeit der Bewegung.

Slow Food macht Schule

Ein besonders gelungenes Beispiel für Bildungsarbeit ist die Kooperation mit der HBLW Saalfelden. Hier wird Slow Food im Schulalltag gelebt – mit Kochprojekten, Workshops und Wettbewerben. Ein Highlight: Ein Kochwettbewerb mit selbst entwickelten Slow Food Gerichten, professioneller Jury und Preisverleihung. Auch das gemeinsame Kochen mit Spitzenköch:innen – wie etwa Roland Essl (Kochschule Alpenkulinarik) – fand großen Anklang.

Team & Mitglieder

Was Slow Food Pinzgau wirklich ausmacht, sind die Menschen dahinter: Ein engagiertes, vielseitiges Team und rund 50 Mitglieder, die sich mit Begeisterung und Kompetenz für eine zukunftsfähige Esskultur einsetzen. Ihr Wissen, ihre Energie und ihr Gemeinschaftsgeist sind der lebendige Beweis dafür, dass Veränderung möglich ist – mit Herz, Verstand und Geschmack.

Vorstand

Ursula Schäffner-Hörl (Kassierin), Hans Fuchs (Obmannstellvertreter, Schriftführer), Wolfgang Schäffner (Obmann)