Johanna ist mit 22 Jahren das jüngste Mitglied im Slow Food Österreich Team – und bringt frischen Schwung in die Themen Jugend und Bildung. Aufgewachsen in einer Familie, in der biologische Ernährung selbstverständlich war, entdeckte sie schon früh ihre Leidenschaft fürs Kochen. Erste prägende Erfahrungen sammelte sie an der Seite von Slow Food Koch Georg Friedl, einem Freund der Familie, später auch in Küchen in England und der Schweiz. Heute studiert sie „Ernährung, Bewegung und Gesundheit“ in Salzburg und engagiert sich bei Slow Food, um junge Menschen für gutes, sauberes und faires Essen zu begeistern. In Kürze begibt sich Johanna zudem auf eine „Küchenreise“ und wirft dabei einen Blick in die Küchen unserer Slow Food Köch:innen. Wir haben sie zu einem kurzen Interview gebeten, damit ihr sie besser kennenlernt:
Ich bin auf einem Mühlviertler „Sacherl“ mit Bäckerei und großem Obst- und Gemüsegarten aufgewachsen, und gekocht wurde das, was aus dem Garten kam. Häufig kamen Wildkräuter zum Einsatz. Mein Opa war Bäckermeister, so wurde das Bäckerhandwerk immer hochgeschätzt. Wir haben sehr sparsam gelebt, aber beim Essen hat meine Mama nie aufs Geld geschaut. Es wurde nur bio gekauft, ob bei „Denns“ oder von den umliegenden Bauern und Bäuerinnen. Und wenn wir essen gegangen sind, waren Qualität, Regionalität und Nachhaltigkeit das A und O. Meinen Eltern war es wichtig, Unterschiedliches auszuprobieren und uns den kulinarischen Reichtum verschiedener Länder (besonders Frankreich) nahezubringen. Hier lernten wir auch die Qualität und Vielfalt von Käse kennen. Als Weihnachtstradition gibt es seit meiner Geburt eine Platte mit Käsespezialitäten und frischem Brot. Wir mussten alles probieren, lernten früh, im Garten und in der Küche mitzuhelfen, so viel wie möglich wurde verwertet oder eingekocht, nichts wurde verschwendet.
Gutes, gesundes, einfaches, regionales und saisonales Essen war ein essenzieller Bestandteil meiner Kindheit.
Den ganzheitlichen Blick. Die notwendige Wertschätzung der Natur, der Produzent:innen, uns selbst und dem Gast gegenüber. Die Natürlichkeit und Einfachheit der Lebensmittel und der Gerichte. Das Sich-Zeit-Lassen. Das Abschmecken, bis es rund und stimmig ist. Die Selbstverständlichkeit, von Grund auf zu schöpfen und zu arbeiten. Das Produkt so zu verwenden, wie es ihm am besten entspricht. Das Handwerk. Und vieles, vieles mehr.
In England habe ich die Küchenleitung in einem philosophischen Zentrum übernommen und musste dort zum ersten Mal ohne Rückhalt alle kulinarischen Fragen selbst lösen und umsetzen. Ich lernte, Dinge einfach zu probieren, „Fehler“ zu retten, und lernte auch mich selbst noch besser kennen im Prozess. In England waren auch die Freude am Kreieren und Nähren sowie die Signifikanz von Präsenz und Hingabe in der Küche wichtige Aspekte. In der Schweiz habe ich in einem kleinen Hotel in den Bergen sowohl in der Küche als auch im Service gearbeitet. Die Milchprodukte kamen vom Bauern nebenan, das Brot vom Bäcker im Dorf. Es war ein kleines Team in einem fordernden, aber wunderbaren Haus. Dort war es wichtig, Gemeinschaft zu leben, Verlässlichkeit zu zeigen und zu erhalten, und in einem Team aus vorwiegend Männern schlagfertig zu sein. Ich habe gelernt, über Grenzen zu gehen und diese dann auch zu wahren.
Die Wertschätzung liegt im Verständnis der Dinge, und dies kann unter anderem mit der Kombination Essen, Natur und Bildung weitergegeben werden. Außerdem nutze ich jede Chance, um von Georg weiterzulernen.
Mir ist aufgefallen, dass viele junge Menschen, mit denen ich spreche, keine bis wenig Ahnung von Slow Food haben, und ich wünsche mir, dass sich das ändert. Ich halte es für wichtig, dass Menschen wissen, woher ihre Lebensmittel kommen und welche Arbeit dahintersteckt, dass Essen politisch ist und tägliche Konsumentscheidungen sowohl Einfluss auf die individuelle Gesundheit als auch auf die Gesundheit unseres Planeten haben. Dies ist auch in meinem Studium Thema. Mir ist es wichtig, Freude am Essen und am Handwerk weiterzugeben, traditionelle Rezepte und alte Sorten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, Geschichten zu erzählen, zu berühren. Slow Food bedeutet auch, dem Klimawandel ein Stück weit entgegenzuwirken, und dafür braucht es Engagement.
Gut, sauber und fair bedeutet für mich unter anderem, die Lieferant:innen und Produzent:innen persönlich zu kennen und zu wissen, wie sie arbeiten. Es bedeutet für mich, so qualitativ, hochwertig und nah wie möglich, ehrlich und offen, wertschätzend und ganzheitlich, persönlich und gemeinschaftlich, zukunftsorientiert und bewusst zu arbeiten und zu leben.
In Schulen, im interaktiven Lernen, im gemeinsamen Kreieren von Slow Food Projekten wie Aktionen gegen Lebensmittelverschwendung oder Schulgärten, im Konzept der Slow Food Lehre, in Universitäten – seien es Mensen oder Hörsäle –, auf Social Media … Das Interesse ist da, jetzt braucht es Räume für Begegnung, gelebte Gemeinschaft und Organisation.
Seit diesem Jahr gibt es ja nun auch die Cooks’ Alliance in Österreich. Als Möglichkeit, diese persönlicher vorzustellen, hatte ich die Idee, den Köch:innen einen Besuch abzustatten und ihnen in der Küche etwas über die Schulter zu schauen – und hier auch andere Interessierte durch Videos auf Instagram mitzunehmen. Ziel ist es, zu zeigen, wie und warum unsere Köch:innen so kochen, wie sie kochen, ihre Geschichte, Lebensrealität und Philosophie etwas nahbarer zu machen. Außerdem bin ich mir sicher, dass auch ich sehr viel lernen werde auf meiner Reise durch die Slow Food Küchen.
Ich habe eigentlich keine Lieblingsgerichte, aber je nach Saison immer mein Lieblingsgemüse, das ich dann vielfältig einsetze. Im Gemeinschaftsgarten, in dem meine Mama arbeitet, wächst gerade eine wunderbare Tomatenvielfalt. Die frisch gepflückten Tomaten, die eben noch von der Sonne beschienen wurden, schmecken einfach fabelhaft. Außerdem bin ich ein sehr großer Fan von Hokkaido-Kürbis – einfach nur gebacken im Ofen ist er ein Traum.
We are what we eat von Alice Waters (Buch)
À la carte – Freiheit geht durch den Magen (Film, 2021)
Deine Unterstützung macht den Unterschied: Mit deiner Spende bewahrst du seltene Obst- und Gemüsesorten und bedrohte Tierrassen, stärkst kleine Produzent:innen und förderst ein gutes, sauberes und faires Ernährungssystem für alle. Gemeinsam setzen wir uns für die Zukunft unserer Lebensmittel ein – regional und weltweit.