Linz

Paul Peters

Wirtshaus Gretzl

Nur einen Steinwurf von seinem Elternhaus entfernt kocht Paul Peters seit über einem Jahrzehnt mit kompromissloser Konsequenz – und mit feinem Gespür für Geschmack und die Qualität guter Grundprodukte. Zwischen der Lehre in der gehobenen Küche, Bauernmarktbesuchen mit seinem Vater und dem Linzer Wirtshausalltag ist eine Handschrift entstanden, die nicht nur vom guten Essen erzählt, sondern auch von der Alltäglichkeit des Handwerks, von Fairness – und von dem, was Menschen wirklich zusammenbringt.

Gekocht hat Paul Peters schon immer – sogar während seines Architekturstudiums in Wien. So viel und so gut, dass seine Schwester ihn eines Tages fragte, warum er eigentlich nicht Koch geworden sei. Stimmt eigentlich, dachte sich Paul – und bewarb sich kurzerhand bei ein paar Lokalen. Zum ersten Bewerbungsgespräch fand er nicht hin. Ein Glück, wie sich herausstellen sollte: Denn so landete er beim zweiten – bei Markus Mraz. Dort erhielt er seinen ersten Job in der Gastronomie und begann eine Lehre als Koch und Kellner.

Er war sofort fasziniert. Vom Kochen. Von der Intensität. Vor allem aber vom kompromisslosen Qualitätsanspruch seines Lehrmeisters. Die Zeit bei Markus Mraz hat ihn geprägt – kulinarisch, aber auch in seiner Philosophie: „Mich begeistert die Punk-Attitüde von Markus – das Spiel mit Erwartungen, auch das bewusste Brechen von Konventionen“, sagt Paul.

Später zieht es ihn zurück nach Linz – dorthin, wo Julia Oswald und Tanja Obernberger in Linz-Urfahr gerade eine ehemalige Pizzeria in ein Wirtshaus verwandelt haben: die „Donauwirtinnen“. Paul spaziert außerhalb der Öffnungszeiten hinein, wird beinahe für einen ungebetenen Gast gehalten – und steht kurz darauf in der Küche. Das war 2012. Seitdem ist er geblieben. Ab 2017 gehört das Wirtshaus, das seit August 2025 unter dem Namen „Gretzl“ weitergeführt wird, den vier Gastgebern Philipp und Lukas Zauner, Fabian Mayr und Dominik Schütz. Paul ist die Konstante in der Küche – seit über einem Jahrzehnt.

Wesentlich beeinflusst hat ihn auch sein Elternhaus, keine zehn Gehminuten vom Lokal entfernt. „Mein Papa ist immer zum Bauernmarkt gegangen. Täglich frisch einkaufen war bei uns selbstverständlich.“ Die Nähe zur Herkunft der Produkte, die Wertschätzung für ihre Qualität und die Arbeit der Produzent:innen – das sind Werte, die Paul bis heute prägen.

Was ihn am Kochen fasziniert? „Die Instant Gratification“, sagt er. Der unmittelbare Effekt – ganz anders als in der Architektur, wo man oft monatelang ohne direktes Feedback an einem Projekt arbeitet: „Du kochst etwas, gehst raus und siehst sofort an den Gesichtern der Gäste, ob es schmeckt. Du machst die Leute glücklich – das ist schon sehr befriedigend.“ Und: „Ich esse gern. Es ist schon sehr praktisch, dass ich hier über den Tag verteilt ein kleines Menü verkosten kann. Und es jeden Tag einen anderen Kuchen gibt.“

Auch der soziale Aspekt der Gastronomie beschäftigt ihn – genauso wie früher an der Architektur. „Mich interessiert, wie man etwas schafft, das sozial ist. Einen Raum für Menschen, der angenommen wird. Gutes Essen bringt die Leute zusammen.“ Deshalb ist er neben seiner Arbeit als Küchenchef auch Teil des kulinarischen Kollektivs gulagula, das etwa einen alten amerikanischen Schulbus auf den Hauptplatz von Braunau stellt – um dort zu kochen und Menschen durchs Essen zusammenzubringen.

Im Gretzl kocht Paul mit einem Team, das seine Philosophie teilt. Produzent:innen aus der Region bringen ihre Produkte oft persönlich vorbei – und bleiben manchmal auch auf einen Kaffee zum Tratschen. Die meisten von ihnen sind bio-zertifiziert, andere so kleinstrukturiert, dass eine Zertifizierung für sie keinen Sinn macht. Etwa der Fassadenmaler, der nebenbei auch Fischer ist – und Paul kurzerhand einen zehn Kilo schweren Wels aus der Donau bringt. Die allermeisten kennt Paul ohnehin persönlich: „Ich werde immer den bevorzugen, der hereinkommt – gegenüber dem, den ich nur vom Papier kenne. Man merkt einfach, ob jemand authentisch ist, wie er oder sie arbeitet, wie er oder sie denkt.“ Trotz aller Begeisterung für die Produkte der Region mag er auf eines nicht verzichten: Zitrusfrüchte. „Ich mag sie einfach.“

Bei so viel Direktbezug ist die Gemüsebestellung mitunter komplex – „wie ein sehr kleinteiliges Mosaik“, geschmacklich lohnend, aber auch ökonomisch herausfordernd: „Gerade beim Feingemüse kosten die besten Produkte oft das Drei- bis Vierfache. Und wir arbeiten viel in Mikrosaisonen, die jedes Jahr anders sind – und somit kaum planbar.“ Vera Dickbauer von Grünbunt und Kim Schmied vom Beerenberg sind für ihn Beispiele für Produzentinnen, die geschmacklich außergewöhnlich arbeiten. Auch Katharina und Martin Sageder sowie Josef Wiesinger von Lomo Alto beeindrucken ihn: „Sie sind selbst Hedonisten – und man schmeckt, dass ihre Produkte von Genießern für Genießer gemacht sind. Und dass sie über den eigenen Tellerrand schauen und ihren Qualitätsanspruch auch international messen.“

Auch Fairness ist für Paul ein zentrales Thema in der Gastronomie – und sie betrifft alle: das Team, die Produzent:innen, die Gäste. Zwischen ihnen allen, sagt er, müsse ein grundlegender Sinn für Gerechtigkeit herrschen. „Die Gastronomie ist der perfekte Mittelsmann, um genau diese Gerechtigkeit zu vermitteln – und Werte weiterzugeben“, sagt Paul.

Im Gretzl zeigt sich, dass hohe Produktqualität und faire Preise kein Widerspruch sind. „Meine Chefs sind sehr sozial eingestellt. Sie fahren mit dem Elektrorad statt mit dem Porsche – und investieren lieber in gute Grundprodukte und faire Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter:innen.“ Diese Haltung an die Gäste weiterzugeben, ist ihm wichtig. „Ich bin überzeugt, dass viele unsere hochwertigen Zutaten schon am Geschmack erkennen – vor allem beim Fleisch.“

Er kocht saisonal, regional – aber nicht dogmatisch. Wirtshausklassiker liebt er, interpretiert sie aber gern neu. „Ich versuche, so exotisch wie möglich im regionalen Rahmen zu kochen. Warum also nicht eine klassische Rindsuppe als Ramen interpretieren?“ Seine Handschrift? „Ich bin nicht schüchtern beim Würzen“, sagt er. Eine Maxime, die er von Heinz Mraz, dem Vater von Markus Mraz, übernommen hat: „Nur nicht sparen mit den guten Sachen.“

Saucen und Jus sind Pauls Leidenschaft. Für ihn sind sie zugleich der Schlüssel zu einer ökonomischen Küche – weil sie es ermöglichen, hochwertige Grundprodukte ganzheitlich zu verwerten: „Wenn du gute Fonds selbst gemacht hast, kannst du ganz anders kochen – und deine Gerichte auf ein völlig anderes Niveau heben.“

Seine veganen Mayonnaisen sind eine Spezialität – oder, wie er sagt: „meine Signature Condiments“. Dabei begeistert ihn vor allem Fett als Geschmacksträger. Und: „Vegane Haschee- oder Grammelknödel mache ich manchmal aus Lust am Quertreiben – weil die Leute oft gar nicht merken, dass sie vegan sind.“

Was für ihn Handwerk bedeutet? „Handwerk in der Küche muss nicht immer etwas Kunstvolles sein – auch etwas Alltägliches wie Fisolenputzen gehört dazu.“ Letzte Woche hat er eine ganze Kiste geputzt, für ein Kindheitsgericht: Rahmfisolen. „Von meiner Mama schmecken sie immer noch besser. Das ist eines dieser Gerichte, bei denen die Kunst darin besteht, nicht mehr dazuzugeben als unbedingt notwendig.“ Auch Erdäpfel kauft er nicht geschält und vorgekocht, sondern kocht sie in der Schale und schält sie erst danach. Den Unterschied schmeckt man, ist er überzeugt. Brot – für Paul der Inbegriff von Handwerk – bäckt er mehrmals pro Woche selbst.

Wissen über gutes Essen und gute Lebensmittel weiterzugeben, ist Paul besonders bei Kindern und Jugendlichen ein Anliegen. Regelmäßig arbeitet er mit Schulklassen, gibt Workshops für Kinder. „Kinder sind neugierig – und ältere Kinder auch schon diskursfähig. Mit ihnen kann man vieles hinterfragen. Das ist spannend.“ Und er zitiert den dänischen Familientherapeuten Jesper Juul: „Ein Kind ist fertig erzogen, wenn es sein Zimmer aufräumen und kochen kann.“

Auf die Frage nach seinem wichtigsten kulinarischen Ritual kommt die Antwort prompt: Kosten. „Ich koste alles – auch, was meine Kolleg:innen kochen.“ Junge Köch:innen ermutigt er zum Neugierigsein. „Man lernt am meisten, wenn man anderen zuschaut – und über den Tellerrand schaut. Markus Mraz war Autodidakt – das hat mich geprägt. Ich habe mir auch viel selbst beigebracht. Und: Man lernt besser kochen, wenn man besser isst. Weil man einfach versteht, wie etwas schmecken kann.“

Übrigens:

Mehr über das Wirtshaus Gretzl, in dem Paul Peters kocht, erfährst du hier. 

Zum Nachkochen: 

Paul Peters Rezept für Mosthendl mit knusprigen Heurigen, Fenchel, Holler-Mayonnaise und eingelegter Holunderblüte zum Nachkochen findest du hier. 

„Du kochst etwas, gehst raus und siehst sofort an den Gesichtern der Gäste, ob es schmeckt. Du machst die Leute glücklich – das ist schon sehr befriedigend.“

Paul Peters

Auf einen Blick

Cooks Alliance

Paul Peters

Wirtshaus Gretzl (ehemals donauwirt*innen)
4020 Linz
Webergasse 9